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About Prof. Dr. med. et Dr. phil. Hermann Stieve
Hermann Philipp Rudolf Stieve (* 22. Mai 1886 in München; † 6. September 1952 in Berlin) war ein deutscher Anatom, der sich insbesondere mit gynäkologischen Fragestellungen beschäftigte. Er war Professor für Anatomie und Histologie.
Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus
Während seine wissenschaftlichen Leistungen allseitige Würdigung erfuhren, wird an seinen Verhaltensweisen in der Zeit des Nationalsozialismus zum Teil heftige Kritik geübt
Problematisch an der Forschungsarbeit Stieves war das Fehlen geeigneter Forschungspräparate. Noch 1931 hatte Stieve sich gegenüber einem Kurator über die Schwierigkeiten seiner Forschungsarbeit schriftlich geäußert: „Es ist ungemein schwer, Eierstöcke von wirklich gesunden Mädchen aufzutreiben.“ In seiner Zeit in Halle wurden Untersuchungen an verschiedenen Tieren, vor allem Haushühnern, vorgenommen. Ein zentraler Aspekt war die Frage, ob der Eisprung anders als von Hermann Knaus und Kyūsaku Ogino vorausgesetzt, auch unerwartet, zum Beispiel in Schrecksituationen eintreten kann und es somit die von Knaus und Ogino angegebenen berechenbaren empfängnisfreien Tage nicht gäbe und äußere Einflüsse eine Rolle spielen.
In ersten Versuchsreihen war zu Hühnern ein Käfig mit einem Fuchs gestellt worden, um die Hühner einem plötzlichen Stressfaktor auszusetzen. In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nutzte Stieve das Unrechtssystem für seine Forschung in ethisch umstrittener Weise. 1938 äußerte er in Bezug auf die durch den Volksgerichtshof vermehrt ausgesprochenen Todesstrafen: „Durch die Hinrichtungen erhält das Anatomische und anatomisch-biologische Institut einen Werkstoff, wie ihn kein anderes Institut der Welt besitzt. Ich bin verpflichtet, diesen Werkstoff entsprechend zu bearbeiten, zu fixieren und aufzubewahren.“ Zwischen 1939 und 1945 erhielt Stieve, der nicht Mitglied der NSDAP war, 269 Körper toter Frauen aus den Haftanstalten und Lagern Ravensbrück und Plötzensee.
Stieve wird vorgeworfen, in mehreren Fällen auf Hinrichtungstermine dergestalt Einfluss genommen zu haben, dass die Organentnahme für wissenschaftlichen Untersuchungen möglich wurde. In einer Notiz des Generalstaatsanwalts wird über eine Besprechung, zu der auch Stieve hinzugezogen wurde, mitgeteilt: „Als Ergebnis der Besprechung trage ich hiermit folgendes vor: Erwünscht ist (wegen der Bombardierungen) die Vollstreckung von Todesurteilen in Plötzensee auf den Abend zu verlegen und zwar auf 20 Uhr. Professor Stieve war hiermit einverstanden und erklärte, dass die Leichen dann noch am selben Abend zur Anatomie abgeholt werden könnten. Ein späterer Zeitpunkt sei für das Anatomische Institut aber nicht tragbar, weil sonst die Bearbeitung der Leichen zu Forschungszwecken sich zu spät in die Nacht hinein ausdehnen würde, so dass die beteiligten Ärzte nicht mehr mit den Verkehrsmitteln nach Hause kommen könnten.“
Auch sollen junge Frauen durch die jeweiligen Gefängnisärzte angehalten worden sein, einen Monatskalender zu führen. Es soll ihnen dann entsprechende Tage vor ihrem Eisprung der Hinrichtungstermin mitgeteilt worden sein, um so verwertbare Forschungsergebnisse zu erhalten. Diese Behauptungen von Bartsch sind allerdings nirgends belegt. Es findet sich auch sonst kein Hinweis auf eine entsprechende Einflussnahme irgendwelcher Art.
Gestützt auf solche Befunde kam Stieve zum Schluss, dass Schockerlebnisse binnen weniger Stunden einen vom Zyklus abweichenden Eisprung auslösen können. Er verheimlichte die Quelle seines Untersuchungsmaterials nicht. So schilderte er in der Zeitschrift „Das deutsche Gesundheitswesen“ am 15. September 1946 den Fall einer 22-jährigen Frau, deren Monatsblutung „infolge starker nervöser Erregung“ elf Monate lang ausgeblieben war. Aber plötzlich trat, „im Anschluss an eine Nachricht, die die Frau sehr stark erregt hatte (Todesurteil), eine Schreckblutung ein. Am folgenden Tag starb die Frau plötzlich durch äußere Gewalteinwirkung…“ Bei der Frau handelte es sich um die am 5. August 1943 um 19.42 Uhr enthauptete Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek. Andere Opfer des NS-Regimes, die von Stieve seziert wurden, waren beispielsweise Wanda Kallenbach, Elfriede Scholz, Helene Delacher, Erika von Brockdorff, Liane Berkowitz und Wera Apollonowna Obolenskaja. Von seiner Bereitschaft, die Körper Hingerichteter für seine Forschungszwecke zu nutzen, machte Stieve mindestens eine Ausnahme: Er verweigerte die Annahme der Körper der Attentäter vom 20. Juli 1944.
Bei dem Bevollmächtigten für das Gesundheitswesen Karl Brandt war Stieve ab 1944 noch Angehöriger des wissenschaftlichen Beirates.
Stieve selbst äußerte sich zu der Frage der Ethik seines Handelns: „Ich selbst habe alle Leichen, die der Anatomie in der Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft überwiesen wurden, seziert und habe mich dabei bemüht, die erhobenen Befunde für meine wissenschaftlichen Arbeiten und dadurch zum Wohle der Menschheit zu verwerten.“
Von offizieller Seite gab es an seinem Handeln auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur zunächst keine Kritik. Das Neue Deutschland, Zentralorgan der DDR-Regierungspartei SED schrieb in seinem Nachruf: „Groß waren seine Taten. In seinem Werk wird er weiterleben“.
Am 13. Mai 2019 wurden die sterblichen Überreste von NS-Opfern auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt. Es handelt sich um Gewebeproben von Menschen, die in Plötzensee ermordet worden sind, meistens als politische Gegner des Regimes. Die Proben waren 2016 von den Erben Stieves in seinem Nachlass gefunden und der Charité übergeben worden. Dort erkannte man ihre Herkunft und beauftragte Johannes Tuchel als Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, ihre Herkunft zu untersuchen. Besonders interessierte sich Stieve für die Körper junger Frauen. Tuchel belastet Stieve schwer: Wir haben aufgearbeitet, dass er dem Reichsjustizministerium systematisch bei der Spurenverwischung dieser Justizverbrechen half. Demnach stellte das NS-Justizministerium dem Mediziner die Leichen kurz nach der Hinrichtung zum Sezieren zur Verfügung. Im Gegenzug habe Stieve dafür gesorgt, die Körper der Getöteten einzuäschern und anonym bestatten zu lassen. Besonders interessierte sich Stieve für die Körper junger Frauen, da er an der Funktionsweise der Monatsblutung forschte.
Über seine Obduktionen führte Stieve Listen. Er selbst sezierte demnach 184 Menschen, darunter 172 Frauen. Auch von den 18 enthaupteten Frauen der Widerstandsgruppe Rote Kapelle sezierte Stieve die 13 jüngeren. Hier findet sich zum Beispiel der Name von Libertas Schulze-Boysen, der Ehefrau von Harro Schulze-Boysen. Das Ehepaar war am 22. Dezember 1942 hingerichtet worden.
Biographie Hermann Stieve, Source Wikipedia
Das Personenlexikon zum Dritten Reich – Wer war was vor und nach 1945 von Ernst Klee
ISBN978-3-596-16048-8 7 / Seite 603
Prof. Dr. med. et Dr. phil. Hermann Stieve's Timeline
1886 |
May 22, 1886
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München, BY, Germany
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1952 |
September 5, 1952
Age 66
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Berlin, Berlin, Germany
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